Wo bitte geht's zur Trump-Party?

Fans des US-Präsidentschaftskandidaten und Republikaner sind in Berlin rar. Demokraten bereiten schon die Party für Dienstag vor. Von SIMA DJABAR ZADEGAN
  November 07th, 2016
Als Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde, war für Ned Wiley klar: „Ich brauche eine neue Partei!“ Jetzt legt er zwei Visitenkarten auf den Kaffeehaustisch, die ihn als Chairman zweier politischer Organisationen ausweisen. Auf der alten Karte glänzt noch das rote „R“ der Republikaner.

Die Neue schmücken die gelben Adler der Libertarian Party, einer der größten Drittparteien der USA. Ned Wiley, 64-jähriger Unternehmensberater aus Connecticut, lebt seit 15 Jahren in Prenzlauer Berg und war jahrelang aktiver Republikaner, zuletzt Vize-Chef der „Republicans Overseas“ für alle in Deutschland lebenden Anhänger. Doch nur unter einer Bedingung: „Wenn dieser Verrückte Trump nominiert wird, bin ich innerhalb von 24 Stunden weg.“

Wo aber gibt es in Berlin Trump-Fans? Und überhaupt: noch Republikaner?

Ned Wiley zuckt mit den Schultern. In Berlin leben nach offiziellen Zählungen rund 16.000 US-Amerikaner, in Deutschland mehr als 110.000. Kenner der Szene sagen mit einem Augenzwinkern: 98 Prozent der Amerikaner an der Spree sind Demokraten. Und von den restlichen zwei Prozent sind 90 Prozent gegen Trump.

Trump-Wähler in Berlin zu finden ist schwierig

Kurz gerechnet: Das sind immerhin 320 Republikaner und 32 Trump-Befürworter. Während der 18 Monate, in denen Wiley bei den Republicans Overseas tätig war, besuchten gerade mal an die zehn Mitglieder die Treffen in Berlin. Davon waren die Hälfte Deutsche. Angesichts dieser Zahlen muss Wileys Ausstieg aus der Partei ein herber Verlust für die Republikaner gewesen sein. Heute baut er von Berlin aus ein internationales Netzwerk für die Libertarian Party auf.

Aber vielleicht gibt es ja doch noch in einer Berliner Ecke ein paar Anhänger des hierzulande selbst von seriösen Zeitungen und Politikern als Rassist und Großmaul bezeichneten US-Präsidentschaftskandidaten? Halten sie sich bedeckt angesichts des miserablen Images ihres Favoriten?

Die Suche gerät zur Odysee. Von der American Church Berlin und anderen US-Kirchen, der American Academy über US-Clubs bis zu transatlantischen Thinktanks wie dem German Marshall Fund of the United States“ weiß niemand Rat. Ann Wertheimer, Vorsitzende der Organisation „American Voices Abroad Berlin“, sagt lakonisch: Nein, sie kenne beim besten Willen niemanden in Berlin, der Trump wählt. „Auch nicht Frau Dussmann.“

"Nur mit Hillary als Präsidentin kann ich wieder ruhig schlafen"

Anruf bei Catherine von Fürstenberg-Dussmann, Aufsichtsratmitglied der von ihrem Mann gegründeten Dussmann-Group, in Missouri geboren, in Berlin zuhause, aber in den USA weiterhin wahlberechtigt und bekennende Republikanerin. Frau Dussmann, was halten Sie von Trump? Sie seufzt am Telefon: „Trump ist ein Reality-TV-Star, kein Politiker. Diese Wahl bereitet mir Bauchschmerzen und schlaflose Nächte.“

Deshalb habe sie Hillary Clinton gewählt. Damit zählt Dussmann sich zu den „Independents“, den nicht parteigebundenen Wählern. „Nur mit Hillary als Präsidentin kann ich wieder ruhig schlafen. Sie ist zumindest eine erfahrene Politikerin.“

Ähnliche strategische Gedanken wie die Unternehmerin machen sich auch viele junge Amerikaner, die für einige Monate zu Austausch- und Studienzwecken in Berlin leben. Fast alle sind aber keine Republikaner, sondern links-orientierte Anhänger der Democrats. Sie hätten am liebsten den im Vorwahlkampf unterlegenen Clinton-Konkurrenten Bernie Sanders zum Präsidenten gewählt.

Die Demokraten planen schon die Party für Dienstag

Hanns-D. Jacobsen kennt ihre Einstellung. Er ist FU-Professor und Chairman des Studienforums Berlin, das jährlich für viele US-Studenten aus dem Bundesstaat New York Studienaufenthalte in Berlin organisiert. „Etliche der jungen Leute sind frustriert über die Entweder-Oder-Situation, da sie im Mehrheitswahlrecht nur die Option zwischen Kandidaten zweier großer Lager haben“, sagt Jacobsen. Schweren Herzens wählen sie dann Clinton – oder wollen gar kein Kreuzchen machen. In diesem Falle hakt Jacobsen ein, versucht, sie für „strategische Überlegungen“ zu gewinnen. Und dann fügt er noch hinzu, Amerikaner in Berlin erlebten hier andere Realitäten und Sichtweisen und fänden wohl deshalb Trump rasch unmöglich.

Powen Shiah, Sprecherin der „Democrats Abroad Germany“ ist bereits recht enthusiastisch: „Wir gehen nicht nach Hause, ehe wir die neue Präsidentin gefeiert haben!“ Ebenso wie andere Veranstalter lädt die Organisation in der Wahlnacht zum mitfeiern oder -leiden ein (siehe Kasten.) Sollte es doch einen Trump-Fan in Berlin geben, muss er die Nacht wohl allein verbringen. Ned Wileys Begeisterung für die „Grand Old Party“ ist jedenfalls vorbei. Er nimmt es gelassen: „Die Mitgliedschaft in einer Partei ist für viele Teil ihrer Identität oder gar ihrer religiösen Überzeugung. Aber ich bin ja kein politischer Junkie.“

Wo kann man am Dienstag die US-Wahl live sehen?

ELECTION NIGHT PARTY

Die Demokraten feiern in der Wahlnacht vom 8. zum 9. November, 19 bis 4 Uhr früh im Institute for Cultural Diplomacy, Genthiner Straße 20, in Tiergarten. Tickets für 7,50 bis 35 Euro gibt’s über die Website www.demsinberlin.de.

ELECTION-ALLNIGHTER

Wahlparty im Event-Space Halleschen Haus in Kreuzberg, Tempelhofer Ufer 1, 22-4 Uhr. Eintritt frei.

WHAT’S UP AMERICA?

Party der Bundeszentrale für Politische Bildung in der Tube Station, Friedrichstraße 180-184 in Mitte. Der Andrang ist so groß, dass die Veranstaltung schon ausgebucht ist.